von Petra Schweizer-Strobel
Am vergangenen Mittwoch, wenige Tage vor den Kommunal- und Europawahlen also, lud das Netzwerk Dresden-Nord zu einem Diskussionsabend der besonderen Art in das Gemeindehaus Alte Post. Stadtrats- und die in diesem Jahr zum ersten Mal zur Wahl stehenden Stadtbezirkbeiratskandidaten und -kandidatinnen stellten sich den Fragen und Anliegen der Bürger*. Wer also vorher noch nicht wusste, welche Partei oder welche Kandidaten er wählen sollte, konnte an diesem Abend prüfen, wer ihm wichtige Themen zukünftig im Stadtrat und Stadtbezirksbeirat am besten in seinem Sinne vertreten wird.
Geladen waren alle relevanten Parteien von der Linken bis zur AfD, gekommen sind Vertreter der Linken, der Grünen, der SPD, der CDU und der FDP. Bereits im Vorfeld hatten wir den Bewerbern auf ein Amt in einem der beiden Gremien über ihre Fraktionen einen Fragebogen und die Wahlprüfsteine des Netzwerks Dresden-Nord zugeschickt. Alle zurückgesandten Antworten finden sie hier.
Die Veranstaltung begann mit einer Einführung in die Neuerungen, die in diesem Jahr den Gang an die kommunalen Wahlurnen noch interessanter und wichtiger machen, denn der Stadtbezirksbeirat wird nicht nur erstmals direkt von den Bürgern gewählt, er verfügt zukünftig zudem noch über ein eigenes Budget, über das Projekte und Vorhaben im Stadtbezirk finanziert werden können. Diese Fördermittel können von den Bürgern sehr niedrigschwellig beantragt werden.
Das folgende Wahlforum war zweigeteilt. In einer ersten Diskussionsrunde konnten die Bürger an verschiedenen Thementischen (Wohnen & Gewerbe – Familie, Senioren, Barrierefreiheit & Gesundheit – Jugend, Sport & Freizeitgestaltung – Verkehr & sichere Schulwege – Schulen, Bildung & Kultur) auf Augenhöhe mit den Kandidaten ihre Anliegen diskutieren und deren Positionen erfahren. In einer zweiten Runde saß je ein Stadtratskandidat pro Partei auf dem Podium und stellte sich den Fragen des Moderators Andreas Tietze und der Bürger. Auf dem Podium saßen Jan-Ulrich Spies (SPD), Dr. Steffen Sickert (CDU), Franz-Josef Fischer (FDP), Anja Apel (Die Linke) und Ulrike Caspary (Bündnis 90/Die Grünen).
Insbesondere für die Thementische galt: Manche Kandidaten waren gut vorbereitet, manche schlecht. Manche waren still, andere in ihrem Redefluss nicht zu bremsen. Manche konnten ihre Argumente begründen, andere nicht. So weit, so normal wohl, zugleich aber vielleicht auch aufschlussreich für die Beantwortung der Frage, wie engagiert ein Kandidat später voraussichtlich in den verschiedenen kommunalen Gremien in die Debatten eingreifen und wie nachhaltig er überhaupt in der Lage sein wird, seine Positionen adäquat zu vertreten. Die „richtige“ Meinung zu haben, genügt im Politikbetrieb nun einmal leider nicht allein, um ein Ziel gegen zahlreiche Widerstände zu erreichen. Überzeugende Argumente, Ideenreichtum, Eloquenz, Dialog- und Kompromissbereitschaft sowie brennender Enthusiasmus sind mindestens ebenso wichtig. Vor dem Hintergrund ist der Umstand, dass manche Kandidaten auf das Angebot, sich bei diesem Wahlforum den Bürgern zu stellen, nicht einmal reagiert haben und mithin den Eindruck hinterließen, dass sie einer offenen Auseinandersetzung, die das Herz einer Demokratie ist, aus dem Weg gehen wollten, durchaus auch sehr „informativ“ – um es einmal zurückhaltend zu formulieren.
Die Themen, die Klotzscher Bürger bewegen und an den Thementischen diskutiert wurden:
Schulen, Bildung & Kultur
Kandidaten: Jan-Ulrich Spies (SPD), zeitweise Jayne-Ann Igel (Die Linke), zeitweise Anja Apel (Die Linke), Bettina Kempe-Gebert (CDU), Sabine Heimann (Bündnis 90/Die Grünen), zeitweise Billy Berge-Kolb (Bündnis 90/Die Grünen), Andrea Pohl (Die Linke)
- derzeit zu große Klassen, was sehr schlecht ist für die individuelle Förderung
- Platzkapazitäten an Schulen und Kitas im Dresdner Norden
- neue Lernformen und mehr in den Schulen verbrachte Zeit benötigt veränderte Raumplanungen, insbesondere Entspannung/Rückzugmöglichkeiten
- Haltung der Kandidaten zu freien Schulen
- Inklusion an Schulen
- Digitalisierung an den Schulen
- Situation an der 82. Oberschule: DAZ-Klassen und Schulplatzkapazitäten
Wohnen & Gewerbe
Kandidaten: Dr. Steffen Sickert (CDU), Franz-Josef Fischer (FDP), zeitweise Anja Apel (Die Linke)
- Hauptthema: bezahlbares Wohnen
- Wohngeld
- großes Problem mit Nebenkostenexplosion, wie es vor allem Vonovia vornimmt
- Neubau sehr teuer
- Problem fehlender Flächen in Klotzsche
- Fazit: kaum Wohnflächen, Eigenheime verbrauchen zu viel Fläche, hauptsächlich Wohnungsverdichtung möglich
Familie, Senioren, Barrierefreiheit & Gesundheit
Kandidaten: Rolf Hofmann (Bündnis 90/Die Grünen), zeitweise Billy Berge-Kolb (Bündnis 90/Die Grünen), Heinz Geißler (Die Linke)
- kommunale Pflegeangebote sollen gestärkt und ausgebaut werden
- Fußgängerschutzzone auf der Karl-Marx-Straße zwischen Lidl und Sparkasse/Arztpraxen
- barrierefreier Zugang zu Ansprechpartnern und Dienstleistungen bei Banken
- Gesundheitsvorsorge: mehr Hausärzte, Fachärzte, Kinderärzte
- Freibecken für Seniorenschwimmen
- Wohnen im Alter: mehr inklusive Wohnprojekte, bspw. Mehrgenerationenhäuser
- mehr barrierefreie Bushaltestellen, bspw. für die Linie 72
Jugend, Sport & Freizeitgestaltung
Kandidaten: Andreas Weck-Heilmann (Bündnis 90/Die Grünen)
(wird nachgereicht)
Verkehr & sichere Schulwege
Kandidaten: Ulrike Caspary (Bündnis 90/Die Grünen), Renate Greuner (Bündnis 90/Die Grünen), Heinrich Ewald Lüers (CDU), Jens Müller (Bündnis 90/Die Grünen), Steffen Apel (Die Linke)
- Fahrradweg zwischen Dresden und Langebrück: Notwendigkeit der Offenhaltung der Bahnunterführung auf Höhe des Silbersees, Prüfung einer Radwegführung über die ehemalige Mülldeponie
- Notwendigkeit verkehrssicherer Fahrradweg ins Stadtzentrum
- Verbesserung Verkehrsanbindung des ÖPNV in das Gewerbegebiet (Bosch-Ansiedlung), Favorisierung der Verlängerung der Straßenbahn Linie 8
- Verbesserung der Schulwegsicherheit insbesondere auf der Boltenhagener Straße nahe der Kirche, Querung derzeit sehr unübersichtlich
- Schlecht mit den Bürgern abgesprochene Straßensanierungen
Auf dem Podium wurden folgende Themen diskutiert:
- Schulwegsicherheit
- neues Gewerbegebiet und ÖPNV
- drohende Stellenkürzungen im Bereich der Jugendhilfe
- Stadtteilzentrum
- Festspielhaus Hellerau: Weiterentwicklung und Wirken in das Wohnumfeld
- Freiräume für Jugendliche
- Fernsehturm
- Entwicklung des Radwegenetzes, insbesondere nach Langebrück und in das Stadtzentrum
- Deponiefläche
- Ausbau Königsbrücker Straße
Das an diesem Abend zutage getretene rege politische Interesse und engagierte Eintreten der Bürger für ihre Anliegen zeigt, dass sich die Politikverdrossenheit doch noch sehr in Grenzen hält. Es wurde sogar der Wunsch geäußert, solche Veranstaltungen öfters anzubieten, auch außerhalb von Wahlkampfzeiten. In diesem Zusammenhang möchte ich all jene, die im Dresdner Norden etwas vor Ort bewegen wollen, einladen, sich einer der verschiedenen Arbeitsgruppen des Netzwerks Dresden-Nord anzuschließen, denn um politisch Einfluss zu nehmen, muss man nicht unbedingt einer Partei angehören. Viele gemeinsamen Anliegen im Stadtteil sind ohnehin über jede Parteipolitik erhaben! Hoffen wir aber trotzdem, dass in diesem Jahr möglichst viele Menschen zu den Kommunal-, Europa- und Landtagswahlen an die Urnen gehen und dort kluge Entscheidungen für unsere Stadt und unser Land treffen werden!
(Fotos: Stephan Krüger und Petra Schweizer-Strobel)