Jaroslav Rudiš‘ wohl nicht ganz letzte Reise nach Klotzsche

Der Buchtauschschrank am Bahnhof Klotzsche
Jaroslav Rudiš
Die Lesung zu fortgeschrittener Stunde
Gerd Probst (auf dem Stuhl) und Jaroslav Rudiš (links) im Gespräch
Bahnhofseigentümer Gerd Probst bei der Ansprache
Jaroslav Rudiš

von Petra Schweizer-Strobel

Vom Glück des Neubeginns nach dem Lockdown

Jaroslav Rudiš – tschechischer Schriftsteller und Eisenbahnliebhaber – zu Gast im Biobahnhof Klotzsche: Welcher Ort hätte für eine Lesung aus Rudiš‘ Werk wohl passender, welches Wetter hierfür besser und welcher Neubeginn nach dem Lockdown überhaupt schöner sein können als dieser Abend auf Gleis 1? Gerd Probst – seinerseits kein geringerer Eisenbahn- und Bahnhofsliebhaber als Rudiš und Eigentümer des Gebäudes – jedenfalls muss nachdrücklich für diese wunderbare Idee gedankt werden. Und vielleicht muss es sogar als Glück betrachtet werden, dass Rudiš zum ursprünglich geplanten Lesungstermin im März 2020 so kurzfristig (aber Gott sei Dank nicht wie zunächst befürchtet an Corona) erkrankt war, dass die Lesung in der Bahnhofswirtschaft nicht mehr rechtzeitig abgesagt werden konnte, was seinen Leserinnen und Lesern seinerzeit einen zwar anderen Abend als erhofft, zugleich aber ein nicht weniger eindrückliches Erlebnis beschert hatte, denn sie machten aus der Not – dem Mangel am Autor – eine Tugend: Einige hatten ohnehin ihr eigenes Exemplar des Buches zum Signieren mitgebracht, in dem ihre Lieblingsstellen bereits markiert waren, und übernahmen so die Lesung ad hoc einfach selbst. Rudiš hingegen versprach, die Lesung am 4. Juni 2021 persönlich nachzuholen, was die fallenden Inzidenzen und die damit verbundene Lockerung der Coronamaßnahmen dann auch im letzten Moment tatsächlich zuließen. Doch eine Woche Vorbereitungszeit genügte schon, um die Freifläche der Bahnhofswirtschaft samt anschließendem Bahnsteig bis an die Grenzen des Coronamöglichen voll zu bekommen.

 

 

Vom Bierzapfen, Lärm und Charme

Gespeist wurde nach Rezepten aus „Winterbergs letzte Reise“ und das nicht pasteurisierte Nerchauer Bier polagerecht gezapft [Insider wissen, dass Pola laut Protagonisten des Buches die einzige des Zapfens fähige Berliner Kellnerin ist, aber leider bereits ebenso mausetot wie seine erste, zweite und dritte Ehefrau]. Rudiš las sowohl aus diesem Roman als auch aus einem noch unveröffentlichten launigen Manuskript über eine wahnwitzige 40-stündige Zugreise mit zwei Dresdner Freunden durch ganz Deutschland (und nur so viel sei dazu gesagt: Auch hierzulande kann man skurrile Menschen und Abenteuer erleben). Dass der Lärm der ein- und ausfahrenden Züge hierbei so manches Wort des Autors verschlang, war zwar schade, aber machte auf gewisse Weise auch fast schon den besonderen Charme des Abends aus – dieser Lärm, gepaart mit dem Bild der sich beim Halt neugierig aus den Seitenfenstern der Triebwagen und Loks beugenden Lokführer, die mit Schriftsteller und Publikum ein paar Sätze wechselten und dann weiter in die Nacht fuhren.
Auch dem äußerst gut gelaunten Jaroslaw Rudiš schien der Abend übrigens gefallen zu haben, jedenfalls kündigte er an, dem Bahnhof Klotzsche auf seinen Reisen von hier nach dort bei nächster Gelegenheit wieder einen Besuch abstatten und dann sein nächstes Buch vorstellen zu wollen.

Von Nähe und Distanz

So betrachtet kann diese Veranstaltung letztlich wohl rundum auch bereits als Auftakt für die nächste Klotzscher Literaturwoche betrachtet werden, die zusammen mit dem Bücherbasar im Februar 2022 stattfinden und aus gegebenem Anlass unter dem Motto „Nähe und Distanz“ stehen wird. Geplant sind Vorträge, Lesungen, Literaturverfilmungen und neben vielem anderem mehr natürlich auch wieder das berühmt-berüchtigte literarische Klotzscher Quartett.

 

 
 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.