Geht die Klotzscher Schwimmhalle baden?

Ein Diskussionsabend in Klotzsche am 07.03.2018

von Stephan Krüger

Wer seinen Kindern zu erklären versucht, wie sich das Leben zu Zeiten sowjetischer Besatzung anfühlte, der braucht nur die Königsbrücker Straße stadtwärts zu radeln, spätestens ab der Stauffenbergallee ist auch der letzte 100-prozentige Genosse erleichtert, dass die 89er Wende fast alle anderen schlechten Straßen auf dem Gewissen hat. Seit wie vielen Jahren wird nun über die Sanierung der Königsbrücker Straße diskutiert? Vermutlich sogar schon seit 1945. Fast im Jahrestakt wird aufgerissen und zugeschmiert, alles provisorisch, denn alle sind sich einig: Die Straße ist alternativlos und braucht eine Totalsanierung. Ergebnis aller bisherigen Diskussionen: Der Status quo bleibt erhalten.

Hoffen wir, dass dem Klotzscher Sportkomplex ein ähnliches Schicksal erspart bleibt. Seit dem Bau der Schwimmhalle, der Turnhalle und des Sportplatzes zur Vorbereitung der Olympiade 1936 wurde die Klotzscher Schwimmhalle noch nie grundsaniert. Trotzdem hat sie 80 Jahre durchgehalten, inklusive Turnhalle und Sportplatz.

Schwimmhalle, Turnhalle, und von Wildschweinen umgegrabener Sportplatz

Das könnte bald vorbei sein. Die ehemals bild- und auch heute noch architektonisch schöne Anlage verfällt zusehends, trotz Denkmalschutz. Gleichzeitig steht sie bei den Bürgern so hoch im Kurs, dass die Schwimmhalle fast täglich von 06:30 bis 22:00 Uhr  von Einzelgängern bis Vereinen, von Kindern bis Senioren, von Tauchern, Synchronschwimmern, Wasserballern, Triathleten, Rettungsschwimmern, mithin von Menschen fast jeder Couleur, die schwimmen können oder es lernen wollen, in Anspruch genommen wird.

Am 07.03.2018 hatte die Klotzscher CDU um Christian Hartmann zur Bürgerversammlung mit dem Thema „Schwimmhalle Klotzsche“ geladen.

Podium der Bürgerversammlung am 07.03.2018

Bürgermeister Dr. Peter Lames (SPD) begann mit einem Vortrag über die „Bäderkonzeption im Zusammenhang“ und warb für Verständnis dafür, dass die Stadt Dresden die Interessen ALLER Bürger im Blick behalten müsse, was im Einzelfall bedeuten könne, lokale Privilegien wie eine örtliche Schwimmhalle nicht in jedem Fall dauerhaft erhalten zu können. Für die Klotzscher Schwimmhalle gäbe es eine unbedingte und unbefristete Betriebserlaubnis, diese würde sicherstellen, dass das Klotzscher Schwimmbad solange zur Verfügung stände, bis ein Neubau – wo auch immer – errichtet worden ist. Die Bäder GmbH bekäme ihre Mittel aus den Erträgen der Technischen Werke der Stadt Dresden. Damit belasteten die Bäder nicht den Haushalt der Stadt, vielmehr finanzierten die Bürger die Bäder über ihre Zahlungen an die Stadtwerke. Pro Jahr sei ein Zuschuss von ca. 9 Millionen Euro für den Bäderbetrieb in Dresden erforderlich. Da diese Mittel steuerrechtlich nicht den Einkünften der Stadtwerke entnommen würden, fiele auch keine Kapitalertragssteuer an.

Lames führte zwei Randbedingungen an, die bei einer neu zu errichtenden Schwimmhalle zu beachten seien:

  1. Die Optimierung der Betriebsverhältnisse: Dazu gehöre, die Schwimmhalle an eine Stelle zu setzen, an der sie von vielen Menschen gut zu erreichen sei.
  2. Die Fläche, auf der sich die Schwimmhalle heute in Klotzsche befindet, sei ein Gewerbegebiet, das wachsen solle. Diese Fläche müsse langfristig für die Expansion örtlicher Unternehmen zur Verfügung stehen.

Lames betonte, nicht nur für die Schwimmhalle, auch für die Turnhalle sei ein Ersatzbau erforderlich, für den ebenfalls eine Ausgleichsfläche gesucht werde.

Der Chef der Dresdner Bäder GmbH Matthias Waurick lieferte weitere Informationen:

Die Schwimmhalle Klotzsche verfüge über 312 m² Wasserfläche. Ganz Dresden habe knapp 5.000 m² Wasserfläche, das seien ungefähr 111 Einwohnern pro m². Im Vergleich mit den anderen acht deutschen Städten mit Einwohnerzahlen zwischen 500.000 und 600.000 Einwohnern sei Dresden dabei Schlusslicht. Dresden weise hier einen Mehrbedarf von ca. 1100 m² Schwimmhallen-Wasserfläche aus. Das entspräche einer zusätzlichen großen 50 m – Schwimmhalle. Um Kosten zu sparen, wäre deshalb eine große Schwimmhalle mit 800-900m² Fläche – Waurick nannte sie „kompakte Schwimmhalle“ – wünschenswert. Damit sich diese große Schwimmhalle rentiere, müsse das Einzugsgebiet dieser Schwimmhalle deutlich vergrößert werden. Das gelänge nur durch einen Standort, der stadtnäher als Klotzsche sei und beispielsweise in Pieschen läge. Nach Wauricks Rechnung erreiche die Klotzscher Schwimmhalle derzeit ein Einzugsgebiet von ca. 70.000 Einwohnern, während ein neuer Standort in Stadtnähe bis zu 140.000 Einwohnern erreichen könne. Waurick zählte auf, wie er sich eine „kompakte Schwimmhalle“ vorstelle: 25 Meter à 6 Bahnen, Lehrschwimmbecken, Mehrzweckbecken, variabler Boden, so dass auch Tauchen oder – anderes Extrem – „Senioren-Stehen“ möglich seien. Spezifische Nutzer seien das Schulverwaltungsamt, Vereine, Wasserballer, Synchronschwimmer, Taucher, Einzelpersonen jeglichen Alters sowie Kinder- und Aquafitnessgruppen Die Kosten für eine kompakte Schwimmhalle (800-900 m²)  betrügen nur 2/3 der Kosten von vier kleinen Schwimmhallen (4 x 300 m² = 1200 m²). Der Zeitrahmen für derartige Investitionsbauten betrage ungefähr vier Jahre ab Grunderwerb: zwei Jahre Vorbereitung, Planung, Genehmigung und zwei Jahre Bau. Die derzeit in Planung und Bau befindlichen Schwimmhallen an der Freiberger Straße sowie in Prohlis würden bis 2019 bzw. 2022 fertiggestellt sein, danach könnte der Bau der neuen Schwimmhalle im Dresdener Norden beginnen. Zugabe: Der Freistaat würde den Neubau vermutlich unterstützen.

Nach Bäder–Chef Waurick sprach der stellvertretende Vorsitzende des Schwimmvereins Weixdorf Steffen Herzog.

Der Klotzscher Sportkomplex, begann Herzog seine Rede, sei eine einmalige Kombination aus Schwimmhalle, Sporthalle und Sportplatz. 14 Schulen von der Grundschule bis zum Gymnasium nutzten die Schwimmhalle. Nachmittags und abends gäbe es öffentliches Schwimmen. Zwei Schwimmvereine mit Sportschwimmen nutzten die Halle, die Schwimmer kämen aus der ganzen Stadt. Beide Vereine hätten um die 500 Mitglieder zwischen 5 und 90 Jahren. 25 lizensierte Trainer würden erfolgreich ausbilden, u. a. auch Rettungsschwimmer, die an vielen Stellen in unserer Gesellschaft gebraucht würden. Die Trainerausbildung dauere 3 Jahre und jeder Trainer müsse die Wettkampfrichterausbildung abschließen. Vereine widmeten sich der Schwimmausbildung, Ziel der Ausbildung sei nicht nur die Schwimmausbildung, sondern es ginge auch um die Talententwicklung und die sich anschließende Ausbildung an Sportgymnasien und Sporthochschulen. Der Talentestützpunkt Weixdorfer Schwimmverein wurde erst kürzlich als Talentschule ausgezeichnet. Äußerst geschickt geplant (Olympiade 1936) sei die Paarung aus Schwimmhalle, Turnhalle und Sportplatz hinsichtlich der athletischen Ausbildung der Schwimmer. Es gäbe sogar eine Reihe Vereine, die aufgrund lokaler Baumaßnahmen wie aktuell in der Freiberger Straße nach Klotzsche ausgelagert worden seien. Ein weiterer Pluspunkt sei die hervorragende Erreichbarkeit der Schwimmhalle für Menschen aus der Region jenseits der Stadt und die im Vergleich zu anderen Dresdner Schwimmhallen sehr guten Parkmöglichkeiten. Sollte es zur Schließung der Klotzscher Schwimmhalle kommen, erwarte der Schwimmverband, durch den Umzug Verluste bei der Ausbildung bei Kindern von bis zu 70%.

Teil der Turnhalle

Herzogs Verteidigungsrede löste großen Beifall aus.

Im Anschluss an die Podiumsdiskussion wurden von den über 100 anwesenden Bürgern Fragen an das Podium gestellt, Meinungen getauscht und philosophiert.

Themen waren die lokale Identifikation als Heimat, die Entschleunigung, die man in Klotzsche im Vergleich zur rastlosen Stadt im Tal erleben kann, kinderreiche Familien, die von einer lokalen Schwimmhalle profitierten, lange oder kurze Wege für die Bürger, die vielen leerstehenden Industrieflächen, die das Argument, das Gelände der Schwimmhalle sei für die Industrie erforderlich, schwach aussehen ließen, bis hin zum Argument, in einer Gesellschaft, in der Werte und Normen schleichend verloren gingen, wäre es insbesondere für unsere Kinder wichtig, sie von den Computern, Handys oder der Straße wegzuholen und sie stattdessen mit praktischen Befähigungen wie Schwimmen und Mannschaftsgeist auszustatten und ihre Gesundheit zu festigen.

Hoffen wir, dass die Botschaften bei den Entscheidern angekommen sind. Zustände wie bei der Königsbrücker Straße möchte keiner. Der Wunsch der Bürger ist an diesem Abend eindeutig:

Die Klotzscher Schwimmhalle soll saniert werden und erhalten bleiben.

Einige Fragen blieben meines Erachtens jedoch offen:

– Unterstützt der Freistaat ausschließlich einen Neubau oder würde er auch die Sanierung der bestehenden Klotzscher Schwimmhalle mitfinanzieren?

– Warum geht Bäder-Chef Waurick in seiner Vergleichsrechnung von vier kleinen Schwimmhallen aus? Vergliche man die Kosten einer zentral gelegenen Kompakt-Schwimmhalle mit nur drei (statt vier) dezentralen kleinen Schwimmhallen (3 x 300m² = 900m²), lägen die Kosten vermutlich nicht mehr so weit, wie von Waurick angeführt, auseinander und mehrere Stadteile könnten mit eigenen Schwimmhallen beglückt werden. Eine dieser drei Schwimmhallen – eventuell die am zentralsten gelegene – könnte ja  trotzdem durchaus mit einem Mehrzweckbecken versehen werden, um die spezifischen Wünsche von Senioren und Tauchern zu erfüllen.

Antworten zu diesen und weiteren Fragen werden gegebenenfalls nachgereicht.

(nach Absprache gekürzt)

Links:

Schwimmhalle Klotzsche

Der Dresdner Norden braucht eine neue Schwimmhalle (DNN)

Streit um Dresdens Bäder (Sächsische Zeitung)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.