Stadt und Wort

Collage: Paul Förster

Literaturstadt Dresden – das ist ein werbefreundlicher Titel. Einer, der kulturelle Identität und eine lebhafte Literaturszene verheißt. Ein Titel, der impliziert, dass die Literatur in Dresden einen festen Platz in der öffentlichen Debatte, im Tourismussektor und nicht zuletzt in den Haushaltsplänen der Stadt hat. Dresden kann auf eine reiche literarische Geschichte zurückblicken, aber auch zeitgenössische Werke prägen die kulturelle Landschaft. Und von ebenso zentraler Wichtigkeit ist die Generationen und Bevölkerungsgruppen übergreifende Rezeption und Reflexion des geschriebenen Wortes. Wer über die Literaturstadt Dresden nachdenkt, muss als Ausgangspunkt immer den Stellenwert der Literatur in den Köpfen der Dresdner Bürgerinnen und Bürger betrachten.

Diesem Gedanken näherte sich ein Schreibwettbewerb des Gymnasiums Dresden-Klotzsche auf die direkteste Weise an. Dabei sollten Schüler der neunten bis zwölften Klassen einen Text selbst verfassen – Textform und  Aussage waren frei wählbar. In Bezug auf den lokalliterarischen Kontext und auch als Anregung, in die genau entgegengesetzte Richtung zu denken, war das Thema vorgegeben: Literatur statt Dresden – Literaturstadt Dresden. Die 14 Texte, die in diesem Rahmen entstanden sind, siedeln sich mal mehr und mal weniger nahe am Thema an, beleuchten verschiedene Aspekte und sind doch oft sehr ähnlich. Da geht es um die Stadt in Vergangenheit und Gegenwart, auf objektiver oder tief persönlicher Ebene. Um Heimatliebe und Realitätsflucht. Um Konflikt und Einklang von Dresden, Menschen und Literatur.

Der Ton ist humorvoll, kritisch oder nachdenklich (oder alles in verschiedenen Dosierungen), letztlich ist jeder Text aber immer und vor allem ein Bild der Persönlichkeit und künstlerischen Identität seines Schöpfers.

Vorgetragen wurden die Texte am 8.11.2017 im Rahmen eines musikalisch-literarischen Abends, bei dem auch die von einer Lehrerjury bestimmten Sieger geehrt wurden.

Natürlich ist so ein Schreibwettbewerb keine Studie, dafür ist die Teilnehmerzahl zu gering und auch zu wenig repräsentativ. Dennoch zeigt er vielleicht, dass ein Empfinden für Literatur bei jungen Menschen (oder zumindest doch bei einigen) existiert. Und er trägt dazu bei, sich selbst eine Daseinsberechtigung zu schaffen, indem er selbst ein Teil der Literaturstadt Dresden ist.

David Berthold

 

Und hier eine Auswahl der eingereichten Arbeiten:

 

Robin Götzelt – Streng hermetisches Lautgedicht

alles gleich

 

statt satt satt statt statt satt statt statt
statt satt satt satt statt statt satt statt
statt satt satt statt statt satt statt satt
statt satt satt satt statt statt satt satt

glatt watt watt glatt glatt watt glatt glatt
glatt watt watt glatt glatt watt glatt watt
glatt watt watt glatt watt watt watt glatt
glatt glatt watt glatt glatt glatt glatt glatt

blatt ratt ratt blatt ratt blatt ratt ratt
blatt ratt ratt blatt ratt ratt blatt blatt
blatt ratt ratt blatt ratt ratt ratt ratt
blatt ratt ratt ratt blatt ratt blatt blatt

hatt matt matt matt matt hatt matt hatt
hatt matt matt matt hatt hatt matt matt
hatt matt matt hatt hatt hatt matt matt
hatt matt matt hatt matt hatt hatt hatt

statt satt satt statt statt satt statt satt
(dresden klotzsche)

 

Maja Seiler – Wunderbar

Die Barockstadt an der Elbe,
Erbaute man einst auf einem Felde.
Es siedelten sich daraufhin Exemplare,
Des Homo Sapiens an, über die Jahre.
 
So sind wir heute ne halbe Million,
Und mindestens so viele Touristen-Information‘,
Denn jene kommen zu uns sehr gerne,
Sie kommen auch gerne aus weiter Ferne.
 
Denn ebenso wie alle nach Glück und so streben,
Will auch jeder mal sein Blaues Wunder erleben.
Und das geht halt nur in dieser Stadt,
Die auch noch ein paar andere Brücken hat.
 
Denn auch Albert, Carola und Marie,
Gehören in diese Kategorie.
Sie sind Straßen und Fußwege über die Elbe,
Nicht Rhein Oder Isar – das ist nicht dasselbe!
 
Das Wasser der Elbe ist (wenn denn mal da),
Frisch, kühl, türkisblau und glasklar.
Und das Baden darin, das kühlt in der Hitze,
Die weißen Sandstrände sind auch echt spitze.
Dort kann man sich anschließend wunderbar sonnen,
Und wohnst du hier, dann hast du gewonnen.
 
Es möge bitte überall so schön wie hier werden,
Wir hätten das Paradies auf Erden.
In Sachsens Metropole werden alle Träume wahr,

Ach Dresden, du bist … ganz ok.

 

David Berthold – Die Kulisse

Endzeit ohne Endzeit.
Das Treiben Richtung Abgrund
erlahmt zur Ziellosigkeit.
Fatalismus verliert seinen Reiz.

Selbstverwirklichung
mit einem Gesellschafts-Selbst
in einer fragwürdigen Wirklichkeit
Wer bin ich? Und wer sind die anderen?

Ewig ist, was die Zeit verhöhnt,
denn Zeit ist Überfluss und Durst.
Ein brüchiger Grat ist die Flucht
inmitten des Staubs.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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